Härtsfeldbahn-Anzeiger

Ausgabe 1/1998

Die Vierachser der Härtsfeldbahn

Als die Härtsfeldbahn am 30. Oktober 1901 eröffnet wurde, standen für den Personenverkehr die vierachsigen Personenwagen 1 bis 7 zur Verfügung.
Diese Wagen wurden von der Waggonfabrik Herbrand in Köln-Ehrenfeld extra für die Härtsfeldbahn entworfen und gebaut. Mit großen Plattformen, einem hohen Dach und einem durchgängigen Fensterband waren sehr formschöne, helle und großzügig gestaltete Wagen entstanden. Teilweise verfügten die Wagen über ein Abteil mit gepolsterten Sitzen der II. Classe. Ansonsten waren sie mit Holzlatten-Sitzen der III. Classe versehen.
Bereits in den ersten Betriebsjahren mußten zwei der Wagen gegen ältere Fahrzeuge eingetauscht werden. Die anderen fünf überstanden beide Weltkriege und waren teilweise sogar noch unverändert in den sechziger Jahren im Einsatz.
Im Zuge der Modernisierung der Bahn in den Fünfziger Jahren entschloß man sich, für den Berufsverkehr zwei vorhandene Personenwagen neu aufzubauen, da das Fassungsvermögen der beiden Triebwagen T 30 und T 31 für den Spitzenverkehr nicht ausreichte.
Für den Neuaufbau wählte man die Personenwagen 1 und 3 aus. Die alten Wagenkästen wurden abgebrochen. Die Fahrgestelle wurden zur Firma Auwärter nach Stuttgart-Möhringen transportiert. Unter Verwendung von Teilen aus dem Omnibusbau entstanden im Winter 1954/1955 zwei auch heute noch formschöne Wagen mit äußerst bequemen Polstersitzen.
Für die Verdieselung rechnete man mit zwei schweren und einem leichten Triebwagen. Letzteren beabsichtigten die Härtsfeldbahner in eigener Werkstatt aufzubauen. In einen der Personenwagen sollte eine Maschinenanlage eingebaut werden. Als Vorbereitung dafür ließ man den Wagen 3 gleich mit Scheinwerfern ausstatten.
1956 erwarb die Härtsfeldbahn gleich zwei leichte Triebwagen T 32 und T 33 aus Bremen. Damit konnte man auf den Umbau des Wagens 3 verzichten. Nur die Scheinwerfer erinnerten fortan noch an das Vorhaben.
Da man aus Bremen auch noch zwei gut erhaltene Personenwagen erhalten hatte, konnte man die verbliebenen drei Personenwagen als Reserve beiseite stellen. Ende der sechziger Jahre wurden sie zerlegt.
Die beiden neu aufgebauten Personenwagen - nunmehr als Triebwagenanhänger (TA) 101 bzw. 103 bezeichnet - versahen bis zur Einstellung des Personenverkehrs im September 1972 ihren Einsatz auf der Härtsfeldbahn. Im Mai 1973 transportierte man sie zur Nebenbahn Amstetten - Laichingen. Dort waren sie nochmals 12 Jahre im Einsatz, bis im August 1985 auch diese Nebenbahn eingestellt wurde.
TA 101 wurde von uns 1986 erworben und nach Neresheim transportiert. TA 103 gelangte zur Märkischen Museums-Eisenbahn im Sauerland. Im Tausch gegen ein anderes Fahrzeug konnten wir 1992 auch den zweiten noch vorhandenen Personenwagen der Härtsfeldbahn nach Neresheim holen.
1991 wurde mit der Aufarbeitung des TA 101 begonnen. Mittlerweile wurde der gesamte Wagenkasten ausgebessert und neu lackiert. Eine Hälfte der Inneneinrichtung ist bereits aufgearbeitet, die andere befindet sich noch in Arbeit.
Wenn alles wie geplant läuft, kann der Betrieb auf der Härtsfeld-Museumsbahn wie einst im Oktober 1901 mit dem Personenwagen 1 der Härtsfeldbahn eröffnet werden.

Jürgen Ranger

Die zweite Teilstrecke der Härtsfeldbahn: Ballmertshofen - Dillingen (Teil 2)

(Teil 1 in Härtsfeldbahn-Anzeiger 1/1996)
Auch die Eröffnung der Teilstrecke Ballmertshofen - Dillingen wurde gebührend gefeiert. Die Stadt Dillingen hatte Flaggenschmuck angelegt, das gute Wetter des 3. April 1906 tat ein übriges zum Gelingen des Festes. Zur Eröffnungsfahrt hatten sich in Dillingen zahlreiche Persönlichkeiten angesagt. Auch eine militärische Abordnung durfte in der Garnisonsstadt Dillingen nicht fehlen. Der Eröffnungssonderzug mit den Festgästen verließ Dillingen um 8 Uhr 25; Die Regimentsmusik des Königlich bayerischen 2. Chevauleger-Regiments Taxis nahm vollzählig an der Fahrt teil und begleitete die Fahrt musikalisch. Auf den Unterwegsstationen waren Zwischenhalte eingeplant, um die Festgäste der Anliegergemeinden aufzunehmen. Der kranz- und fahnengeschmückte Zug wurde in Dillingen unter reger Anteilnahme der Bevölkerung verabschiedet.
Nach einem ersten Zwischenhalt in Hausen, wo Bürgermeister Jennwein zustieg, erreichte man Lauingen. In Zöschlingsweiler hatte das Personal der Fabrik Aufstellung bezogen und begrüßte den Zug mit Hochrufen. Die Fabrikgebäude waren mit bayerischen Flaggen geschmückt. Um 10 Uhr 03 kam der Sonderzug in Neresheim an, wo schon kurz vorher ein Sonderzug aus Aalen eingetroffen war.
Die Festgesellschaft zog zum Gasthof zur Traube, wo die Westdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft einen Frühschoppen gab. Neresheims Stadtschultheiß Müller begrüßte die Gäste. Er verlieh der Hoffnung Ausdruck, daß sich zwischen dem Härtsfeld und dem Donautal ohne Rücksicht auf die Grenzpfähle ein reger Verkehr entwickeln möge.
Bauinspektor Classen und Bürgermeister Degen aus Dillingen waren die nächsten Festredner. Degen dankte Oberamtsbaumeister Caspar Vogler für dessen Bemühungen um den Bau der Bahn und ernannte ihn zum Ehrenbürger der Stadt Dillingen.
Mittags verließen beide Sonderzüge Neresheim mit dem Ziel Dillingen. Auf den Unterwegsbahnhöfen wurden die Züge wiederum freudig aufgenommen. In Lauingen begrüßten Böllerschüsse und die Stadtmusik die Festteilnehmer.
Gegen 13 Uhr 45 trafen die Sonderzüge in Dillingen ein. Mit der Regimentsmusik an der Spitze zog man durch die Königsstraße zum Hotel Bayerischer Hof, dort fand ab 14 Uhr ein Festessen für die 200 geladenen Gäste statt.
Ein Sonderzug fuhr nach kurzem Aufenthalt nach Ballmertshofen zurück: Die Westdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft bot so schon einen Tag vor der regulären Inbetriebnahme den Bürgern die Gelegenheit, die neue Bahn im Rahmen einer Freifahrt näher kennenzulernen.
Auch im Bayerischen Hof war die Zeit für einige Festreden gekommen. Freiherr von Aretin hob im Namen der schwäbischen Kreisregierung hervor, daß der Härtsfeldbahn eine Brückenfunktion zwischen den Königreichen Württemberg und Bayern zukomme.
Bürgermeister Degen gab einen Überblick über die Entstehungsgeschichte der Bahn aus Dillinger Sicht. Oberregierungsrat Jäger von der Generaldirektion der bayerischen Staatseisenbahnen lobte die Westdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft für die solide und gediegene Ausführung der neuen Strecke.
Die Feier wurde gegen 17 Uhr 30 mit der Absendung von Huldigungstelegrammen an den bayerischen Prinzregenten und den württembergischen König beendet.
Die Abfahrt des Sonderzuges nach Aalen war für 18 Uhr eingeplant, um Neresheim gegen 19 Uhr 11 und Aalen um 20 Uhr 33 zu erreichen.
Der Regelbetrieb begann am 4. April 1906. Die Strecke wurde nunmehr von den Punkten Aalen, Neresheim und Ballmertshofen aus bedient.
Die Beförderungszahlen waren von Anfang an höher als zwischen Neresheim und Aalen. Rollbocktransporte konnten bis 1950 nur von Dillingen her erfolgen.
Erst ab 1969 ersetzten Busse einige Zugfahrten. Während der werktägliche Personenverkehr nach Aalen schon 1971 völlig eingestellt wurde, fuhren zwischen Neresheim und Dillingen bis zum letzten Betriebs-Werktag Personenzüge.

Andreas M. Räntzsch


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