April - April! Keine Neigetechnik bei der Härtsfeldbahn / Aufgearbeiteter Triebwagenanhänger geht am 1. Mai in Betrieb

Die Auflösung des Scherzes siehe unten.


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Veranstaltungshinweis

Vor 50 Jahren und jetzt wieder: Neigetechnik bei der Härtsfeldbahn / Freiwillige für Probefahrten gesucht!

Der Härtsfeld-Museumsbahn e.V. lässt mit der Rekonstruktion eines neigefähigen Triebwagenanhängers ein interessantes Kapitel Technik- und Heimatgeschichte wieder lebendig werden. Die aufwändige Aufarbeitung des Original-Härtsfeldbahn-Wagens konnte in den letzten Tagen abgeschlossen werden. Die Feinjustierung soll nun im Rahmen von Probefahrten am 1. April erfolgen.

Dem einen oder anderen wird der kleine Filmausschnitt mit dem schwankenden Härtsfeld-Zügle aus der Fernsehreihe Eisenbahn-Romantik bekannt sein. Was aber kaum jemand noch weiß: das Schwanken des Zuges wurde nicht etwa durch schlechte Gleislage und enge Kurven, sondern durch die damals geradezu revolutionäre Neige-Technologie hervorgerufen. Lange bevor die Deutsche Bahn mit ihren Pendolinos für Aufsehen sorgte, wurde solch eine Technologie ab Mitte der Fünfziger Jahre auf der Härtsfeldbahn erfolgreich erprobt. Doch nicht etwa eine Beschleunigung der Züge war damals das Ziel. Vielmehr sollte der Fahrgast-Komfort spürbar verbessert werden.
Ganz wie eine Mutter ihr Kleinkind auf ihren Armen in den Schlaf schaukelt, sollten die Fahrgäste durch angenehmes Hin- und Herwiegen die Fahrt mit der Bummelbahn genießen. Man versprach sich damit einen deutlichen Rückgang der Beschwerden bei den immer wieder vorkommenden Verspätungen und dadurch einen geringeren Bedarf an Personal sowohl in den Zügen als auch auf den Bahnhöfen. Anders als heute basierte die Neige-Technik damals ausschließlich auf einer ausgeklügelten und sehr robusten Mechanik. Mit einem sich auf und ab bewegenden Rollensystem, das sich auf den Drehgestell-Längsträgern abstützte, konnte der Wagenkasten abhängig von Geschwindigkeit und Kurvenradius gezielt und harmonisch in eine wiegende Bewegung versetzt werden.

Neitech Test (Größe ca. 16 kb) Die des Härtsfeld-Museumsbahn e.V. habenAktiven nach jahrelanger sorgfältiger Aufarbeitung nun so einen Härtsfeldbahn-Neigetechnik-Wagen betriebsfähig gemacht. Das Bild zeigt den Wagen bei den letzten stationären Wiege-Tests. Anhand des Güterwagens im Vordergrund kann man die Neigung gut erkennen. Die letzten Justierungen sollen nun im Rahmen von Probefahrten unter Aufsicht der bahnamtlichen Aufsichtsbehörde erfolgen. Die Pendelbewegung bei vollbesetztem Wagen soll dabei so justiert werden, dass sie für den Fahrgast angenehm und nicht zu heftig ist. Dazu werden zahlreiche freiwillige Fahrgäste gesucht. Dem Vernehmen nach haben einige wichtige Personen aus der Politik ihre Teilnahme fest zugesagt. Die Mitfahrt ist kostenfrei, man muss allerdings anhand eines kleinen ausgeklügelten Fragebogens Auskunft über sein persönliches Empfinden während der Fahrt geben.

Die Fahrten beginnen am Donnerstag, 1 April 2004 um 13:15 Uhr am Bahnsteig in Neresheim. Freiwillige werden gebeten, sich bis 13.00 Uhr auf dem Bahnhofsgelände einzufinden, damit sie in die Modalitäten der Probefahrt eingewiesen werden können.

Jürgen Ranger Härtsfeld-Museumsbahn e.V.


Aufgearbeiteter Triebwagenanhänger geht am 1. Mai in Betrieb

Dem aufmerksamen Leser ist es sicherlich aufgefallen: Die Probefahrten des Härtsfeld-Museumsbahn e.V. (HMB) mit einem rekonstruktierten neigefähigen Triebwagenanhänger waren ein April-Scherz! Bei denjenigen, die sich haben hereinlegen lassen, möchten sich die HMB-Verantwortlichen hiermit aufrichtig entschuldigen. Es war wirklich nicht böse gemeint! Die Versuchung war einfach zu groß und schließlich ist ja auch ein Körnchen Wahrheit daran: Wenn alles gut geht, wird zum 1. Mai tatsächlich ein Original-Triebwagenanhänger der Härtsfeldbahn nach jahrelanger umfangreicher Aufarbeitung wieder in Betrieb gehen. Nur eine Neigetechnik war bei diesem Wagen nie eingebaut.

Die Geschichte dieses fast 50 Jahre alten Wagens aus der Wirtschaftswunderzeit hängt eng mit der Modernisierung der Härtsfeldbahn in den Jahren 1954 bis 1956 zusammen.
Am 12. Juni 1953 stellte die Betreiberin der Härtsfeldbahn, die Württembergische Nebenbahnen AG, beim Innenministerium Baden-Württemberg einen Antrag auf Entbindung von der Betriebspflicht zum 1. Juli 1953. Der Zustand der Bahn und die seit der Währungsreform Jahr für Jahr abnehmenden Beförderungszahlen hatten die Bahn immer mehr in die roten Zahlen rutschen lassen. Doch es sollte anders kommen: Mit einem monatlichen Zuschuss des Landes wurde die Bahn vorerst am Leben erhalten und der Leiter des verkehrswissenschaftlichen Instituts an der Technischen Hochschule Stuttgart, Professor Dr.-Ing. Carl Pirath wurde mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.

Pirath, der damals die Verkehrsteilung Schiene - Straße in landwirtschaftlichen Gebieten und ihre volkswirtschaftliche Bedeutung untersuchte, fand in der Härtsfeldbahn geradezu einen Idealfall für seine Studie vor. Aus volkswirtschaftlicher Sicht hatte er ein Bewertungsverfahren entwickelt, das nun bei der Härtsfeldbahn erstmals angewendet werden konnte. Das im Oktober 1953 feststehende Ergebnis war durchaus positiv: „Im Gesamtergebnis würde die Wirtschaft des Härtsfeldes durch Transportkosten bei Stilllegung der Bahn jährlich mit (…) 90 000 DM mehr belastet werden.“
In seiner am 1. Mai 1954, also vor genau 50 Jahren, vorgelegten Publikation folgerte Pirath aus den Ergebnissen seiner Untersuchung, „dass eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Schiene und Straße für die Bedienung wirtschaftsschwacher Gebiete viel wichtiger ist als für wirtschaftsstarke Gebiete. (…) Die durchgeführte Analyse (…) stellt die (…) Grundlagen dar, von denen aus eine gesunde Verkehrsteilung Schiene - Straße gewonnen werden kann mit dem Ziel, die wirtschaftsschwachen Gebiete regional und kostenmäßig so günstig wie möglich zu bedienen und sie nicht zum Opfer eines freien Wettbewerbs werden zu lassen.“. Vielleicht sollte man auch heutzutage über solche Ergebnisse wieder einmal nachdenken. Jedenfalls wurde damals der Stilllegungsantrag abgelehnt und das Land gewährte der Härtsfeldbahn für die grundlegende Modernisierung einen enormen Zuschuß.

Neben der Bestellung zweier Triebwagen bei der Waggonfabrik Fuchs erhielt die durch die NEOPLAN-Busse bekannte Firma Auwärter den Auftrag, auf den Fahrgestellen der ehemaligen Holzklasse-Personenwagen 1 und 3 neue moderne Aufbauten zu errichten. Die beiden Triebwagenanhänger trafen am 17. März 1955 als erste moderne Fahrzeuge der Härtsfeldbahn in Neresheim ein.
Der Sprung von der romantischen Bimmelbahn der Großväter zur modernen Eisenbahn hätte nicht größer sein können. Eben noch reiste man in bis zu 71 Jahre alten heruntergekommenen und düsteren Holzklasse-Personenwagen. Nun saß man auf dicken Polstern in einem hellen und freundlichen Triebwagenanhänger und wurde bequem über das Härtsfeld geschaukelt. So mancher Zeitgenosse soll damals extra in Sonntagskleidern erschienen sein, um ja sicherzugehen, dass er auch in den modernen Wagen und nicht in den „alten Kisten“ mitfahren durfte.
Immerhin noch einige Jahre - bis 1972 - gab es die Härtsfeldbahn. Dann wurde sie ein Opfer der modernen Zeit, in der nicht mehr nach dem Nutzen für die Volkswirtschaft, sondern nur noch nach rein betriebswirtschaftlichen Aspekten gefragt wurde. Die beiden Triebwagenanhänger - nunmehr als TA 101 und TA 103 bezeichnet - fanden bei der Nebenbahn Amstetten - Laichingen ein neues Zuhause, bis auch diese Bahn eingestellt wurde. Beide konnte der Härtsfeld-Museumsbahn e.V. zurück in ihre alte Heimat nach Neresheim holen. Einer der beiden, TA 101, kann nun nach 13 Jahre dauernder aufwändiger Restaurierung wieder in Betrieb gehen. TA 103 schaut noch in denkbar schlechtem Zustand unter einer Plane notdürftig geschützt einer hoffentlich besseren Zukunft entgegen.

Ab dem 1. Mai können nun die Fahrgäste der Härtsfeld-Museumsbahn wieder den Unterschied zwischen harter Holzklasse der Zeit um 1900 und Polsterklasse der Wirtschaftswunderzeit „erfahren“. Wollen wir hoffen, dass sich Groß und Klein möglichst lange daran erfreuen kann.

Jürgen Ranger
Härtsfeld-Museumsbahn e.V.


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[ Letzte Aktualisierung 01.04.2004 Gerald Stempel ]