ex KBS 773 Ludwigsburg - Markgröningen
Argumente einer 2021 gegründeten Bürgerinitiative gegen eine
Reaktivierung
Im März 2021 hat sich ein Bürgerinitiative aus Anwohnern der
Bahnstrecke zusammengefunden, die das Projekt Stadtbahn kritisch
hinterfragt und gegen eine schnelle Reaktivierung der Bahnstrecke ist.
In diversen Flyern äussert diese Initiative ihre Bedenken gegen die
Bahn, auf die ich hier einmal genauer eingehen will.
Flyer vom 7. Mai 2021
- Die Reaktivierung einer Bahntrasse,
die vor über 100 Jahren in Betreib genommen wurde, wird dem
aktuellen Beförderungsbedarf vieler Möglinger nicht gerecht.
Das Argument kann ich nicht nachvollziehen, da erstens die Bahn ja
nicht nur für die Möglinger Bürger das sein soll, und
zweitens Gutachten bereits vor vielen Jahren der Bahn eine gute
Auslastung prognostiziert haben, vor allem, wenn sie wie geplant als
Stadtbahn nach Markgröningen hinein und nach Schwieberdingen verlängert
wird.
- Die Bahn "mittendrin statt außen
rum" wird Möglingen in zwei Teile trennen, Verkehrsnadelöhre
schaffen und Gefahrenstellen bringen.
Wenn man sich die Landkarte anschaut, erscheint es tatsächlich so.
Die Bahn geht mitten durch den Ort. Doch zerteilt die Bahnlinie den Ort
wirklich? Würde sich etwas ändern, wenn es die Bahn nicht mehr
gäbe?
Wohl kaum, denn die Trennung des Neubaugebietes Löscher ist auch
durch die geographischen Verhältnisse vorgegeben. Von der
Ludwigsburger Straße aus sind keine Verbindungswege machbar, ohne über
Privatgrundstücke zu führen. Ausserdem besteht hier ein beträchtlicher
Höhenunterschied zwischen der Ludwigsburger Strasse und dem
Haldenweg auf der anderen Seite der Bahnlinie.
Ähnlich ist die Situation westlichen Ortsteil, auch hier sind die
Grundstücke derartig nach der Bahnlinie ausgerichtet, daß der
Bau zusätzlicher Verbindungswege oder gar Straßen über
Privatgrundstücke führen würde.
- Die Bahntrasse verläuft direkt
an Wohnhäusern und Spielplätzen.
Das ist richtig, wobei die Häuser erst gebaut wurden, als die Bahn
schon lange existierte, aber noch in Betrieb war. Wer dort baute wusste,
worauf er sich einlässt oder hoffte wohl auf eine Stillegung und
Abbau der Bahn. An eine Reaktivierung dachte wohl niemand.
- Bahnübergänge an
Verkehrsnadelöhren verstärken die Verkehrsproblematik.
Es gibt in Möglingen nur drei Bahnübergänge, einer in
der Kruppstrasse als Zufahrt ins Industriegebiet, einer über die
Bahnhofstrasse/Asperger Strasse, und ein Feldwegübergang an der
Grabenäckerstrasse. Einzig der Bahnübergang in der
Bahnhofstrasse hätte das Potential, den Verkehr zu behindern.
Allerdings befindet sich direkt neben dem Bahnübergang eine Fussgängerampel,
die vor allem Morgens, wenn die Schüler zur Schule gehen, ständig
Rot zeigt, aber auch hier kommt es nicht zum Verkehrschaos.
- Wohngebiete werden von parkenden
Bahn-Pendlern eingenommen.
Das sollte sich über entsprechende Regelungen verhindern lassen
(Stichwort Anwohnerparken), andererseits stellt sich die Frage, woher
diese Pendler kommen sollen. In Asperg/Tamm gibt es direkten S-Bahn
Anschluss, da wird wohl kaum jemand auf die Idee kommen, mit dem Auto
nach Möglingen zu fahren und dort in den Zug nach Ludwigsburg
umzusteigen, um dort wieder auf die S-Bahn umzusteigen.
- Haltepunkte in Möglingen für
die Mehrheit ungeschickt zu erreichen.
Der Zustieg am Bahnhof ist fussläufig innerhalb von 5 Minuten aus
dem Ortszentrum, dem Wollenberg, dem Wohngebieten Raite 1 und 2, sowie Mühlwiesenstrasse/Friedrichstrasse
Grabenäcker erreichbar. Der geplante Haltepunkt an der Unterführung
Sonnenbrunnen erschliesst fast das gesamte Wohngebiet Löscher, das östliche
Ortszentrum und die Schulen und Sporthallen. Damit dürfte ca. 60%
der Möglinger Bevölkerung abgedeckt sein. Genauer ist das auf
der Karte zu sehen.
- Ggf. reduzierte Busverbindungen
verstärken bestehende Verbindungsdefizite (z.B. nach
Asperg/Breuningerland)
Die zwar verbesserte, aber mit einem zwei-Stunden-Takt doch recht
magere Verbindung der Linie 536 in diese Richtung wird auch nach einer
Bahnreaktivierung erhalten bleiben.
Auch die Linie 508 nach Zuffenhausen wird mit Sicherheit bleiben, wobei
der Ludwigsburger Ast aber vsl. wegfallen wird. Dafür könnte
diese Line als Ringverkehr umgestaltet werden und so die Ortsteile
besser verbinden und gleichzeitig als Zubringer zur Bahn fungieren.
- Hohe Kosten, sowohl initial als auch
in der Unterhaltung sind zu erwarten.
Genau das soll mit einer schnellen Reaktivierung vermieden werden. Es
gibt aktuell eine Bundesförderung von 90% der Planungs- und
Investitionskosten, sowie vom Land ein Angebot, für die ersten 100
Kilometer reaktivierter Bahnstrecken die Betriebskosten zu übernehmen.
Die Verzögerungen, die durch die von der Bürgerinitiative
geforderten Alternativplanungen und Untersuchungen könnnten dazu führen,
daß diese Förderung nicht rechtzeitig in Anspruch genommen
werden kann und dann nicht mehr zur Verfügung steht.
- Schutzmaßnahmen für
Anwohner (z.B. Lärmschutzwände) sind bisher nicht vorgesehen.
Bei einer reinen Reaktivierung gibt es tatsächlich keine
rechtliche Verpflichtung zu Lärmschutzmaßnahmen, was aber
nicht heisst, dass keine solche erfolgen wird. Es müssen ja keine
hohen Lärmschutzwände sein, es gibt auch niedere Lärmschutzwände
von ca. einem Meter Höhe, die die Rollgeräusche dämpfen
sowie Schienenstegdämpfer, die eventuelle Quietschgeräusche
mindern. Zudem sind die geplanten elektrischen Stadbahnzüge
wesentlich leiser als die früher verkehrenden Diesellokomotiven.
- Brandschutzrechtliche Gegebenheiten
entlang der Strecke sind zu prüfen.
Hier stallt sich die Frage, welcher Brandschutz hier zu berücksichtigen
sein soll.
- Der Grünstreifen, der sich
durch Möglingen zieht, wird den Schienen weichen.
Da mag auf den ersten Blick so erscheinen, es handelt sich hier aber
nicht um einen Grünstreifen, sondern um einen durch 20 Jahre
vernachlässigte Pflege entstandener Urwald, der langsam beginnt,
ein Gefahrenpotential zu entwickeln. Viele der Bäume habe durch
einseitigen Schnitt, weil sie im Verkehrswege und benachbarte Grundstücke
gewachsen sind, Schräglage bekommen und drohen umzustürzen.
Insbesonders im Haldenweg, wo der Gehsteig direkt an der Hangkante zur
Bahn verläuft, treten Längsrisse und abkipppende
Begrenzungssteine auf, die darauf hinweisen, daß die Bäume
den Hang destabilisieren. Hier muss in den nächsten Jahren auch
gerodet werden, wenn die Bahn nicht kommt.
Abgesehen handelt es sich hier immer noch um eine gewidmete
Eisenbahnstrecke und keinen Stadtpark.
- Mit der definierten Trasse durch Möglingen
wird Möglingen geteilt, Bahnübergänge bergen ein
Sicherheitsrisiko (7 von 8 Übergängen befinden sich in der
Wohnbebauung).
Das klingt so, als ob eine neue Trasse gebaut werden soll, dabei liegen
die Schienen schon seit über 100 Jahren und der Ort ist drüber
gewachsen. Die vermeintliche Trennung ist also der Status quo. Die Bahnübergänge,
die als Sicherheitsrisiko angesehen werden, sind zum grossen Teil gar
keine, sondern Unter- bzw. Überführungen, von denen keinerlei
Gefahr ausgeht.
Hier einmal eine Übersicht der Querungen der Bahn, von West nach
Ost:
- Feldwegübergang Grabenäckerstraße am Westrand des
Ortes, der auch von Anliegern, Stücklesbesitzern und Fußgängern
genutzt wird.
Dieser ist heute nichttechnisch gesichert und soll eine
Lichtzeichenanlage erhalten.
- Der kurz vor der Stilllegung neu gebaute Fußgängerdurchlass
am Ende der Mühlwiesenstraße.
- Der Schrankengesicherte Bahnübergang Bahnhofstrasse/Asperger
Strasse. (Zur Zeit ausgebaut)
- Wenige Meter weiter die Unterführung am Wiesenweg, die aus
Gründen der Verkehrsberuhigung in einer Richtung nur für
Anlieger zugelassen ist.
- Noch ein paar Meter weiter ein Fussweg über die Gleise, der
aber bei einer Reaktivierung wegfallen wird.
- Die Fußgängerunterführung an der Silcherstraße/Haldenweg
auf Höhe der Sonnenbrunnenhalle, die das Wohngebiet Löscher
mit den Sportanlagen und den Schulen verbindet. Hier soll evtl. ein
neuer Haltepunkt entstehen.
- Die Löscherbrücke.
- Der auch kurz vor der Stilllegung neu gebaute Bahnübergang
Kruppstrasse im Industriegebiet.
Es werden künftig also insgesamt sieben Übergangsmöglichkeiten
vorhanden sein, davon sechs innerhalb der Wohnbebauung. Der maximale
Weg zur nächsten Übergangsmöglichkeit beträgt 300
Meter!
Eine Übersicht über die Lage der Übergänge
findet man auf der Karte
- Bahnlinien werden in der Regel mit
gesundheitsschädlichem Glyphosat frei gehalten
Abgesehen davon, daß es auch andere Mittel zur
Vegetationskontrolle gibt, geht die Gesundheitsgefahr durch Glyphosat
weniger von einer Bahntrasse aus, die nur im Bereich des Schotterbetts
gespritzt wird, als vielmehr von der Landwirtschaft, wo Glyphosat
bestimmungswidrig als 'Reifebeschleuniger' bei Getreide und Zwiebeln
eingesetzt wird.
- Droht uns Güterverkehr durch Möglingen?
Das wäre zu hoffen, wobei dieser zwar lauter ist als der
Personenverkehr, aber in der Regel Tagsüber durchgeführt wird.
Dafür verkehren dann aber entsprechend weniger LKW auf unseren
ohnehin überlasteten Strassen.
- Spielplätze und Kindergärten
befinden sich teilweise in unmittelbarer Nähe zur Bahnlinie. Eine
entsprechende Sicherung liegt nicht im Fokus der Planer.
Diese Aussage ist definitiv nicht richtig. Es liegt kein Kindergarten
direkt an der Bahnlinie. Es gibt jedoch zwei Spielplätze, beide an
Eberhardstrasse, wovon der östliche zwar direkt am Bahngleis liegt,
von diesem aber durch einen über 2 Meter hohen, stabilen Zaun
getrennt ist. Dieser Zaun wurde noch kurz vor der Stilllegung von der DB
gebaut, obwohl es dazu keine rechtliche Verpflichtung gab. Der Zaun geht
durch bis zum westlichen Spielplatz Eberhardstrasse und endet am
Bahndurchlass Mühlwiesenstrasse. Es ist kein Problem, diesen Zaun
auf der anderen Seite des Bahndurchlasses weiter nach Westen zu verlängern
und so auch diesen Spielplatz völlig von den Gleisen abzugrenzen.
- Unbeschrankte Bahnübergänge
bergen ein Risiko, insbesonders für Kinder. Sowohl für
Schulwege als auch bei Radtouren, bleibt auf die stetige Aufmerksamkeit
der Kinder zu hoffen
Das zu hoffen ist auch im Strassenverkehr notwendig, denn auch hier
kann Unaufmerksamkeit der Kinder fatale Folgen haben. Im übrigen
gibt es nur einen unbeschrankten und 'nur' mit Lichtzeichen gesicherten
Bahnübergang (Grabenäckerstrasse), der aber auf keinem
Schulweg liegt.
- Der Flyer enthält auch noch
einen Fragenkatalog, auf den ich hier etwas eingehen will.
- Wie sieht ein gutes Verkehrskonzept für Möglingen
aus?
Eine sinnvolle Kombination aller Verkehrsträger, mit Bussen für
die Fläche, eine gut getaktete Bahn für die Masse des
Verkehrs und die Geschwindigkeit des Transports, Radwege für
den Kurzstreckenverkehr.
- Warum sind kostengünstigere Alternative mit Ausbau
Radnetzweg und Busanbindung nicht stärker um Fokus?
Der Ausbau des Radwegenetzes ist zur Zeit in Planung/Arbeit. Einen
Radweg nach Ludwigsburg gibt es bereits entlang der Daimlerstrasse.
Innerhalb Möglinges ist der Radwegebau wegen der Enge der
Strassen und der dichten Bebauung allerdings schwer, soll aber Stück
für Stück umgesetzt werden.
Die Busverbindungen wurden in den letzten 25 Jahren bereits
erheblich ausgebaut, so wurde der Anschluss nach Norden (Linie 536)
und Süden (508) erheblich verbessert, in der Hauptrichtung nach
Ludwigsburg gelangt das Netz aber langsam an Grenzen, vor allem an
den Knotenpunkten (ZOB Ludwigsburg, Hindenburgstrasse in Möglingen,
hier halten heute 222 Busse/Tag, allein 17 pro Stunde in der
HVZ) Weitere Verbesserungen sind hier kaum vorstellbar.
Doch selbst wenn die Haltestelleninfrastruktur es hergäbe, würde
eine Verdoppelung der Anzahl der eingesetzten Busse auch eine
Verdoppelung des Personalbedarfs nach sich ziehen. Kostengünstig
wäre das nicht.
- Wie wirkt sich die Digitalisierung mit Trend zum Home Office
auf den Bedarf und damit die Planungen aus?
Home Office ist ja nur für einen Teil der arbeitenden Bevölkerung
möglich, aber auch hier wird sich nach Corona eine Entwicklung
abzeichnen, die mehr Home Office als vor Corona bringen wird. 100%
Home Office wie aktuell in der Coron Zeit werden aber die wenigsten
machen, Eher sind Modelle mit 40% Home Office und 60% Präsenzarbeit
denkbar. Und genau hier könnte sich der Trend weg vom eigenen
PKW, um zur Arbeit zu kommen, verstärken, da ein an 3 Tagen/Woche
genutzter PKW schlicht unretabel ist.
Der Rest der arbeitenden Bevölkerung, die kein Home Office
machen kann, wird aber weiter zur Arbeit fahren müssen, und
hier soll ja aus Gründen des Klimaschutzes der ÖPNV Anteil
verdoppelt werden. Das geht nur mit einer leistungsfähigen
Bahnverbindung, die durch ihren Komfort und die Geschwindigkeit auch
einen Anreiz zum Umstieg bietet.
- Welche Interessen werden mit dem Projekt wirklich verfolgt?
Diese Frage klingt etwas nach Verschwörungsthoerie, ist aber
sicher nicht so gemeint. Ausser einer Verbesseung des ÖPNV fällt
mir nichts dazu ein, denn bereichern wird sich an diesem Projekt
wohl niemand können.
- Welche Lebenseinschnitte haben die Anwohner zu tragen?
Hier ist natürlich ehrlicherweise davon auszugehen, daß
die Bahn nicht lautlos an den Häusern vorbei schweben wird, man
wird den Zug hören. Allerdings wird die Belastung mit
Sicherheit nicht so sein, wie sich manche das vorstellen. Selbst die
dieselbetriebenen Schäferlaufzüge, die vor allem Ende der
90-er bis tief in die Nacht verkehrten, waren kaum zu hören
(eigene Erfahrung als Anwohner des Möglinger Bahnhofs). Was störend
war, waren die damals notwendigen Pfeifsignale für den Überweg
an der Albert-Kleinheinz-Strasse und den BÜ Grabenäckerstrasse.
Aber diese fallen mit Aufhebung des Überwegs bzw. technischer
Sicherung des BÜ Grabenäckerstrasse weg.
- Wie erfolgt die Realisierung bei sehr enger Bebauung?
Bauarbeiten auf der Bahnstrecke sind grundsätzlich auf der
Strecke selbst möglich, auch bei enger Bebauung ist das kein
Problem, da das eigentliche Bahngrundstück immer breiter ist
als die eigentliche Trasse. Dass es an einigen Stellen bauliche
Einrichtungen gibt, die auf dem Bahngrundstück stehen und
eigentlich dort gar nicht sein dürften steht auf einem anderen
Blatt.
- Welche Brandschutz-, Sicherheits- und Lärmschutzmaßnahmen
werden getroffen - um auch den gesetzlichen Rahmenbedingungen
gerecht zu werden?
Brandschutzmaßnahmen sind, da es sich um eine bestehende
Strecke handelt, keine auszuführen und wohl auch nicht
notwendig, schliesslich soll der Verkehr nicht mit Dampflokomotiven
durchgeführt werden.
Sicherheitsmaßnahmen werden in Form von Zäunen (siehe
oben) und technische BÜ Sicherungen erforderlich, da die
Streckenhöchstgeschwindigkeit erhöht werden soll.
Lärmschutzmaßnahmen können einerseit sdie
eingesetzten Fahrzeuge selbst sein (elektrische Stadtbahn), darüber
hinaus können sogenannte Schienenstegdämpfer zur Minderung
von Roll- und Quietschgeräuschen als auch niedere Lärmschutzwände,
falls erforderlich, zum Einsatz kommen.
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[ Letzte Aktualisierung 13.05.2021 Gerald Stempel ]