Gut sieben Jahrzehnte existierte die von Aalen über Neresheim nach
Dillingen führende meterspurige private Härtsfeldbahn. 1901
hatte man die im Volksmund "Schättere" betitelte Bahnlinie
zwischen Aalen und Ballmertshofen in Betrieb genommen; 1906 wurde sie bis
Dillingen verlängert. Mit der Stilllegung im Jahre 1972 und dem Abbau
der Strecke in den folgenden Jahren ging auf dem Härtsfeld eine
Epoche zu Ende.
Üblicherweise endet hier die Geschichte einer Bahnstrecke; nicht
aber in diesem Fall: Als am 22. August 1984 die ehemalige Schättere-Lok
11 frisch renoviert als Denkmal in Neresheim aufgestellt wurde, kam bei
einigen anwesenden Eisenbahnfreunden erstmals der Gedanke an ein
Eisenbahn-Museum und an eine Museumsbahn auf. Kurz darauf konstituierte
sich ein "Freundeskreis Schättere", aus dem dann am 23.
Januar 1985 der Verein "Härtsfeld-Museumsbahn e.V."
hervorging.
Das damals in Angriff genommene Ziel, die Härtsfeldbahn nicht der
Vergessenheit anheim fallen zu lassen, drückt sich deutlich in der
Vereinssatzung aus: "Zweck des Vereins ist die Förderung der
Kultur des Härtsfeldes und des Denkmalschutzes. Der Satzungszweck
wird verwirklicht insbesondere durch die Pflege einer Sammlung technischer
Kulturdenkmale, die Einrichtung eines Museums und durch breite Öffentlichkeitsarbeit."
Nachdem man anfangs das Gelände des ehemaligen Härtsfeld-Güterbahnhofs
in Aalen im Auge gehabt hatte, entschied man sich bald für das
Angebot des damaligen Neresheimer Gemeinderats und des Bürgermeisters
Hegele und wählte die ehemalige Centralstation der Härtsfeldbahn
in Neresheim als Vereins-Domizil. Damit wurde ein geradezu idealer
Standort für die Vorhaben des Vereins gefunden. Die Centralstation
Neresheim war einst eine der größten privaten Eisenbahnanlagen
in Württemberg. Hier fanden früher Zugkreuzungen statt, auf den
zahlreichen Gleisen gaben sich Güterwagen aller Gattungen und
Verwaltungen ein Stelldichein. Die Bahnmeisterei lagerte hier ihre
Oberbaustoffe und Werkzeuge. Kohlenbansen, Wasserkran und Tankstelle gehörten
ebenso zum Bild wie die zahlreichen Schuppen und das Holzlager. In den großen
Hallen wurden die Fahrzeuge gewartet. Sogar komplette Fahrzeugumbauten
wurden hier durchgeführt. Das Bahnhofsgebäude schließlich
diente der Verwaltung der Bahn. In den Jahren nach der Stilllegung der Härtsfeldbahn
wurde vieles entfernt oder verändert, dennoch bietet das Gelände
der Centralstation auch heute noch einen guten Eindruck von der einstigen
Größe und Bedeutung dieser Anlage.
1986 konnte im ehemaligen Bahnhof Neresheim ein kleines Museum
eingerichtet werden, in dem zahlreiche Erinnerungsstücke dem
interessierten Publikum zugänglich gemacht wurden. Dort erfährt
der Besucher alles über den Bau, den Betrieb, die Funktionsweise, den
Niedergang und die teilweise Wiederauferstehung der Härtsfeldbahn.
Das Härtsfeldbahn-Museum konnte in den vergangenen Jahren ständig
ergänzt und komplettiert werden. Bei einem Besuch spürt man es
deutlich: diese Bahnlinie hat das Geschick des Härtsfeldes, seiner
Bewohner und Besucher Zeit ihres Bestehens deutlich mitbestimmt. Die
Geschichten, die mittlerweile von unzähligen Besuchern in diesen Räumen
erzählt wurden, würden sicher mehr als ein Buch füllen.
In rascher Folge konnten in den ersten Jahren Originalfahrzeuge in
teilweise schrottreifem Zustand erworben werden, darunter die
Dampflokomotive 12, die gut 20 Jahre als Kinderspielgerät in
Heidenheim gestanden hatte, sowie die Triebwagen T 33 und T 37, die ab
1973 bei der Nebenbahn Amstetten - Laichingen eingesetzt worden waren.
1992 konnte man den neu aufgebauten T 33 einweihen. 1994 folgte der Star
des Fahrzeugparks, die Dampflokomotive 12.
Mittlerweile repräsentiert die ca. 20 Fahrzeuge umfassende Sammlung
die Ausrüstung einer privaten schwäbischen Nebenbahn anfangs der
sechziger Jahre. Moderne Triebwagen erledigten damals den regelmäßigen
Betrieb. Dampflokomotiven und alte Wagen in den unterschiedlichsten
Erhaltungszuständen waren noch als Reserve und für besondere
Zwecke vorhanden. Einzigartig sind auch die weniger beachteten Güterwagen
und Rollböcke, die allesamt aus der Zeit der Jahrhundertwende stammen
und einen hervorragenden Überblick über den Güterverkehr
bei einer schmalspurigen Nebenbahn bieten. Die Fahrzeuge befinden sich
frei zugänglich auf der neu erbauten Gleisanlage am Rande des
ehemaligen Bahnhofsgeländes in Neresheim. Lediglich die Lok 12 konnte
in einem hölzernen Schuppen untergebracht werden. Für den
Besucher ist diese Art der Präsentation sicher positiv und historisch
auch korrekt. Die Aufgabe eines Museums ist jedoch neben dem Sammeln und
Präsentieren auch das Bewahren. Leider ist den Fahrzeugen mit der
Aufstellung im Freien kein guter Dienst getan, denn die rauhe Härtsfeld-Witterung
setzt ihnen sehr zu und so müssen große Anstrengungen
unternommen werden, um die Fahrzeuge nicht weiter dem Verfall preis zu
geben. Ein Ziel der nächsten Jahre muß es deshalb sein,
zumindest einen Teil der Fahrzeuge geschützt unterstellen zu können.
Auch die rund um die Dampflok eingerichtete Werkstatt kann nur als
Notbehelf angesehen werden. Da neben dem im Bahnhof inszenierten
Arbeitsplatz des kaufmännischen Personals auch der Arbeitsplatz des
technischen Personals gezeigt werden soll, ist es notwendig, einen Teil
der Werkstätte mit historischen Maschinen und Geräten
auszustatten. In den vergangenen Jahren wurde deshalb systematisch ein
historischer, durch Transmission angetriebener, Maschinenpark
zusammengetragen und eingelagert. Die Einrichtung einer solchen Werkstätte
und die Arbeit damit trägt modernen ganzheitlichen und
handlungsorientierten Museumskonzepten Rechnung und wird die Attraktivität
der Centralstation Neresheim weiter erhöhen.
Von vorneherein war klar, daß eine Präsentation von
Eisenbahnfahrzeugen nur dann erfolgreich und hautnah erlebbar durchgeführt
werden kann, wenn der Besucher die Fahrzeuge in ihrer ursprünglichen
Aufgabe als Mitfahrer oder als Zuschauer erleben kann. Neresheim bietet
hierzu hervorragende Möglichkeiten, stehen doch dem Wiederaufbau des
Teilstücks Neresheim - Dischingen keine unüberwindlichen
Hindernisse im Wege. Der gesamte Abschnitt kann aufgrund seiner
Beschaffenheit als typisch für das Härtsfeld gelten. Auch ein längerer
Abschnitt würde dem Mitfahrer keine wesentlichen zusätzlichen
Eindrücke vermitteln. Ein kürzerer Abschnitt hingegen mindert
die Eindrücke. Die landschaftliche Schönheit sowie die Sehenswürdigkeiten
unweit der Strecke bieten zudem einen Erlebnis- und Erholungswert der
besonderen Klasse.
Der Wiederaufbau wird in drei Bauabschnitten erfolgen: 1. Neresheim - Sägmühle
(ca. 3 km), 2. Sägmühle - Katzenstein (ca. 3 km), 3. Katzenstein
- Dischingen (ca. 2 km). Für den ersten Abschnitt wurde das
Planfeststellungsverfahren eingeleitet.
Ein kostendeckender Betrieb kann allerdings nur durch den ehrenamtlichen
Einsatz von Vereinsmitgliedern durchgeführt werden. Mehrere
Mitglieder haben deshalb in den vergangenen Jahren eine Ausbildung zum
Triebwagenführer, Zugführer oder Lokomotivheizer absolviert, so
daß das Betriebspersonal mittlerweile vollständig vom Verein
gestellt werden kann.
Das Feiern darf natürlich nicht zu kurz kommen und so bieten der Tag
der offenen Lokschuppentür an Christi Himmelfahrt und die
Bahnhofshocketse am ersten Augustwochenende jedem genügend
Gelegenheit, einmal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und dabei
das leibliche Wohl nicht zu vernachlässigen. Die Sommerzeit ist auch
die Zeit für Ferienveranstaltungen, an denen die Härtsfeld-Museumsbahner
immer mit unterschiedlichsten Aktivitäten beteiligt sind. Auch die
Treffen von Straßenoldies gehören mittlerweile schon zu den
regelmäßigen Veranstaltungen. Am zweiten Adventswochenende ist
schließlich Spielen erlaubt, denn dann werden im Rathaus Neresheim
Eisenbahnmodelle für groß und klein gezeigt und die Härtsfeldbahn
kann im Maßstab 1 : 22,5 bewundert werden.
Mehr im Verborgenen wird die Aufgabe des Forschens und Dokumentierens
durchgeführt. Im Dachgeschoß des Neresheimer Bahnhofgebäudes
wurde neben der Geschäftsstelle ein kleines Archiv und eine
Bibliothek eingerichtet. Neben zahlreichen in den letzten Jahren veröffentlichten
Zeitungsberichten muß als Ergebnis der Forschungsarbeit die
Schriftenreihe und vor allem das Buch "Schmalspurig über's Härtsfeld"
von Andreas M. Räntzsch genannt werden. Zum 90jährigen Jubiläum
der Eröffnung der Härtsfeldbahn wurde ein Härtsfeldbahn-Kalender
aufgelegt, der einen sehr guten Anklang fand. Aber auch der seit Anfang an
regelmäßig jedes halbe Jahr erscheinende Härtsfeldbahn-Anzeiger
hat sich zu einem wichtigen Dokumentations-Medium entwickelt, das jedes
Mitglied zugeschickt bekommt.
Die Aktivitäten der Härtsfeld-Museumsbahner beschränken
sich jedoch nicht nur auf die Centralstation Neresheim. Der Verein hat es
sich schließlich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die gesamte
ehemalige Härtsfeldbahn aufrecht zu erhalten. Deshalb gilt das
Vereinsinteresse der Erhaltung aller noch vorhandenen Sachzeugen. An
Infoständen und im Rahmen von Dia- und Filmvorträgen wird "vor
Ort" über die Härtsfeldbahn und die Härtsfeld-Museumsbahn
informiert.
Unter dem Motto Natur, Kultur und Technik wurden bislang zahlreiche
Vereinsausflüge durchgeführt, die den Teilnehmern ein
abwechslungsreiches Wochenende unter Gleichgesinnten boten. So mancher
Zeitgenosse wurde dabei auf das Härtsfeld aufmerksam und verbrachte
in der Folgezeit ein Wochenende in "Schwäbisch Sibirien".
Wenn auch die alte Bahn verschwunden ist, so erhält doch die Härtsfeld-Museumsbahn
die Erinnerung an frühere Zeiten. Mit dem Härtsfeldbahn-Museum,
der Fahrzeugsammlung und der wieder zum Leben zu erweckenden Teilstrecke
von Neresheim vorerst hinunter zur Sägmühle wird eine stolze und
ruhmreiche Tradition aufrechterhalten. Darauf können die Härtsfeld-Museumsbahner
stolz sein!